BAG legt Zusagen der betrieblichen Altersversorgung aus: Trotz Zusage auf Alter 65 Rente erst ab Alter 67 BAG Urteil vom 15 Mai 2012, 3AZR 11/10
Das BAG hat mit seinem Urteil vom 15.05.2012 – 3 AZR 11/10 – entschieden, dass Altersleistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung trotz der ausdrücklichen Festlegung des 65. Lebensjahres als Renteneintrittsalter erst mit Eintritt der gesetzlichen Regelaltersgrenze – 67 Jahre – ausgezahlt werden. Entgegen der herrschenden Meinung in der Fachliteratur gelangt das Gericht im Wege der Auslegung dazu, dass der Arbeitgeber bei einer Festlegung einer Altersgrenze von 65 Jahren regelmäßig davon ausging, dass die Betriebsrente ab dem Zeitpunkt gewährt wird, an dem auch die gesetzliche Rente in voller Höhe in Anspruch genommen werden kann. Deshalb sei trotz der ausdrücklichen Festlegung eines Rentenalters von 65 Jahren die jeweilige Regelaltersgrenze aus der gesetzlichen Rentenversicherung als vereinbart anzusehen.
Für welche Versorgungszusagen gilt diese Entscheidung
- Vom Grundsatz her gilt diese Entscheidung für alle Versorgungszusagen, die vor dem 01.01.2008 – Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes – vereinbart wurden und das 65. Lebensjahr als Renteneintrittsalter vorsehen.
- Versorgungsordnungen die ein anderes als das 65. Lebensjahr als Renteneintrittsalter vorsehen, sind von der Entscheidung nicht betroffen, da der Arbeitgeber hier ausdrücklich zu erkennen gegeben hat, dass er sich von dem gesetzlichen Rentenalter abkoppeln wollte.
- Tatsächlich wirkt sich die BAG-Entscheidung nur für Mitarbeiter aus, die 1947 oder später geboren sind, da nur für diese Mitarbeiter die Anhebung der Regelaltersgrenze greift
Sie gilt für Mitarbeiter, die bereits Rentner sind oder zukünftig Rentner werden aber auch für Mitarbeiter die unverfallbar ausscheiden oder bereits ausgeschieden sind.
Auswirkungen im Einzelnen
Tendenziell führt das Abstellen auf die Regelaltersgrenze zu einer Kostenersparnis des Arbeitgebers, da sich die betriebliche Altersversorgung des Arbeitnehmers verschlechtert
Bei Zusagen die in der Höhe von der gesamten im Dienste der Firma verbrachten Dienstzeit abhängen, führt die BAG-Entscheidung möglicherweise zu einer Verlängerung der anrechenbaren Dienstzeit, wenn der Mitarbeiter bis zum 67. Lebensjahr in den Diensten der Firma bleibt. Geht der Mitarbeiter mit 65 Jahren in die Rente, so erfolgt eine Kürzung für den vorzeitigen Austritt aus der Firma. Scheidet der Mitarbeiter vorzeitig aus, so verändert sich der sogenannte m/ntel-Faktor, mit dem die unverfallbare Anwartschaft berechnet wird, weil die insgesamt mögliche Betriebszugehörigkeit sich um 2 Jahre verlängert.
Bei Anwendung der Entscheidung auf beitragsorientierte Leistungszusagen in den Durchführungswegen kongruent rückgedeckte Unterstützungskasse und kongruent rückgedeckte Pensionszusage kann es zu Finanzierungsrisiken kommen, wenn die Versorgungszusage vor dem 01.01.2001 erteilt worden ist. Für die Versorgungszusagen galt bei unverfallbarem Ausscheiden noch das ratierliche Verfahren, das die insgesamt mögliche Dienstzugehörigkeit berücksichtigt.
Auch bei den versicherungsförmigen Durchführungswegen Direktversicherung und Pensionskasse stellt sich die Frage der Anwendung des Urteils. Wird bei Ausscheiden das versicherungsmathematische Verfahren angewendet, ergeben sich bei Rentenbeginn mit 65 Jahren in der Regel keine Auswirkungen. Geht der Mitarbeiter jedoch mit der Regelaltersgrenze in Rente, ergeben sich dadurch Schwierigkeiten, dass die Versicherung bereits vorher – im Alter 65 – abläuft. Für Pensionskassen kommt die Besonderheit hinzu, dass die Kasse nur Leistungen Gewähren darf, wenn die Berufstätigkeit eingestellt wird.
Individuelle Prüfung erforderlich
Die konkreten Auswirkungen auf die bei Ihnen bestehenden Versorgungsordnungen hängen im Detail vom Durchführungsweg, der Formulierung der Versorgungszusage und der Ausgestaltung der Art der Rückdeckung ab.
Neben den arbeitsrechtlichen Ansprüchen der Arbeitnehmer, Rentner, Hinterbliebenen und unverfallbar Ausgeschiedenen sind auch steuerliche und bilanzielle Konsequenzen zu berücksichtigen. Nach unserer Ansicht ist auf Grund der fehlenden Schriftform eine Anhebung der Rückstellung in der Steuerbilanz nicht möglich. Anders verhält sich dies in der Handelsbilanz.
Insbesondere für Pensionszusagen, aber auch für die anderen Durchführungswege empfiehlt sich eine Überprüfung der Auswirkungen der BAG-Rechtsprechung unter den arbeitsrechtlichen, betriebswirtschaftlichen und bilanziellen Gesichtspunkten. Um das Entstehen einer betrieblichen Übung zu verhindern kann es sinnvoll sein bis zur abschließenden Prüfung Rentenmitteilungen mit einem Vorbehalt zu versehen.
Wir bieten Ihnen daher eine arbeitsrechtliche Analyse der Auswirkungen des BAG-Urteils auf Ihre Versorgungsordnungen an. Ausgehend von dem Analyseergebnis zeigen wir Ihnen die Auswirkungen auf die HGB-Rückstellungen bei der Finanzierung auf das Alter 67 auf.
Zu den rechtlichen und bilanziellen Auswirkungen beraten wir Sie gern.