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Kapitalwahlrechte des Arbeitgebers in der bAV

BAG-Entscheidungen vom 17.01.2023

Das Bundesarbeitsgericht hat sich am 17.01.2023 (Az. 3 AZR 220/ 22 und 3 AZR 501/21) in zwei Urteilen mit Kapitalwahlrechten von Arbeitgebern bei der Auszahlung der betrieblichen Altersleistung auseinandergesetzt. Ein bisher probates Mittel zur Risikobegrenzung auf Arbeitgeberseite war die Wahl einer Kapitalleistung. Dies wird in der Anwendung fortan deutlich eingeschränkt sein.

Juristische Einordnung: Ersetzungsbefugnis, keine Wahlschuld

Es wurde folgende Klausel vereinbart: „Der Arbeitgeber behält sich vor, anstelle einer laufenden Rente eine einmalige Kapitalabfindung zu zahlen.“ In beiden Entscheidungen ging das BAG davon aus, dass keine Wahlschuld gemäß § 262 BGB, sondern eine Ersetzungsbefugnis vereinbart gewesen sei. Beide Versorgungszusagen unterlagen der AGB-Kontrolle.

Zu geringer Kapitalbetrag macht Kapitalisierung unzumutbar

Im ersten Entscheidungsfall war die Versorgung über eine polsterfinanzierte Unterstützungskasse zugesagt. Die Höhe der Einmalzahlung sollte entsprechend den steuerlichen Regelungen der Unterstützungskasse das 10-fache der Jahresrente für die Rentnerin betragen. Das BAG beurteilte die Kapitalzahlung in dieser Höhe im Vergleich zur zugesagten Rente als nicht wertgleich. Die Kapitalzahlung war deshalb damit für die Betriebsrentnerin unzumutbar im Sinne von § 308 Nr. 4 BGB. Die Betriebsrentnerin erhält nun eine lebenslange Altersrente.

Wertgleiche Kapitalisierung grundsätzlich möglich, aber zusätzlich Ausübung billigen Ermessens

Im zweiten Entscheidungsfall lag eine unmittelbare Zusage – Direktzusage – vor. Bemerkenswert und gleichzeitig positiv für die Arbeitgeber ist, dass das BAG in diesem Fall offenbar den Barwert gemäß § 6a EStG als wertgleichen Umrechnungsmodus von der Rente zur Kapitalleistung erachtet. Das war nicht zu erwarten, da der § 6a EStG-Barwert mit 6 % Rechnungszins und ohne Berücksichtigung eines Rententrends ermittelt wird. Er spiegelt nicht – anders als beispielsweise der HGB-Barwert – den tatsächlichen Wert der Verpflichtung wider.

Zusätzlich zur Wertgleichheit müsse nach Ansicht des BAG die Ausübung des Kapitalwahlrechts durch den Arbeitgeber billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) entsprechen. Dazu findet eine Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Betriebsrentners statt. Abzuwägen sei insbesondere das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Risiken und der Verminderung des Verwaltungsaufwands. Demgegenüber sei auf Seiten des Betriebsrentners das Interesse an lebenslanger Absicherung zu berücksichtigen. Da die Vorinstanz (LAG Hamm) zu den wechselseitigen Interessen keine Feststellungen getroffen hatte, hat das BAG den Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen.

Fazit: Mehr rechtliche Unsicherheit bei Ausübung von Kapitalwahlrechten

Künftig ist die Ausübung und Gestaltung von Kapitalwahlrechten (Ersetzungsbefugnis) erschwert. Dies liegt an dem Erfordernis der Wertgleichheit und der vorzunehmenden Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Betriebsrentner. Die Arbeitgeberinteressen an der Kapitalisierung müssen dabei die Interessen des Betriebsrentners hinsichtlich lebenslanger Versorgung überwiegen. Dies erhöht die Unsicherheit, ob ein bereits zu Beginn vereinbartes Kapitalwahlrecht kurz vor Leistungsfalleintritt auch tatsächlich ausgeübt werden kann.

Zudem macht es im Ergebnis kaum einen Unterschied, ob ein Kapitalwahlrecht von vornherein vereinbart ist oder die Kapitalzahlung erst nachträglich festgelegt werden soll. In beiden Fällen bedarf es einer Abwägung der wechselseitigen Interessen im Wege billigen Ermessens, bei der nachträglichen Festlegung zusätzlich einer Rechtfertigung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.

Erste Hinweise zu der Frage, ob der Arbeitgeber die Rente durch die Kapitalleistung ersetzen kann und wie ein Kapitalwahlrecht auszugestalten ist, wird voraussichtlich die noch ausstehende Entscheidung des LAG Hamm geben.

Wir empfehlen, Versorgungszusagen auf einseitige Kapitalwahlrechte des Arbeitgebers zu überprüfen und diese ggf. im Hinblick auf die Wertgleichheit und des billigen Ermessens bestmöglich anzupassen. Hierbei unterstützen wir Sie gerne.

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